46. KW 2018
„Ich mach dich fertig, alle, platt.“ Nicht immer halten Gerichte Bedrohungen oder Beleidigungen von Mietern gegenüber Nachbarn oder Vermietern für kündigungsrelevant. Einerseits nachvollziehbar, denn man möchte Obdachlosigkeit vermeiden. Andererseits unverständlich, denn wo bleiben die Interessen der betroffenen Vermieter und Nachbarn? Sofern Sie mein Buch gelesen haben: Erinnern Sie sich an den Mieter, der seinen Vermieter mit „Sie promovierter Arsch“ bezeichnet hat? Das AG München ...
sah darin einen Kündigungsgrund. Naja, die Bayern halt. Im Rest der Republik ist man da durchaus zurückhaltender. Beispiele? Gerne:
Fährt ein Vermieter eine feuerrote Chevrolet Corvette Stingray, darf sein Mieter den Wagen ungestraft als „Zuhälterwagen“ bezeichnen. Das allein, so ein Richter am AG Hamburg-Harburg, sei noch keine Beleidigung. Denn die Bezeichnung sei für diesen Fahrzeugtyp nicht unüblich. Recht so, finde ich, was fährt der Vermieter auch für eine Dreckskarre? Das fordert derartige Spekulationen über seine Berufsausübung geradezu heraus.
In Hessen rief ein Mieter seinem Vermieter ein griffiges „Du kannst mich am Arsch lecken“ zu. Der Vermieter kündigte daraufhin das Mietverhältnis. Das Landgericht Offenburg sah in der Äußerung keine schwerwiegende Beleidigung und hielt die Kündigung für unwirksam. Recht so, finde ich, denn bei der Äußerung des Mieters handelt es sich lediglich um eine unverbindliche Aufforderung. Dem Wunsch seines Mieters kann der Vermieter nachkommen, muss es aber nicht.
Ein manisch-depressiver Mieter schickte nach zehn Jahren relativ unauffälliger Mietzeit seinem Vermieter E-Mails. Darin verunglimpfte er ihn und seine Mitarbeiter mit: „Schnarchnasen; verlogene, unfähige Chefs; soviel Scheiße erträgt keiner; leck mich am Arsch; wer lutscht schon gerne Scheißschwänze; versaute Bande der Vermieter.“ Auch seinen Nachbarn schickte er Emails „Solltest Du nicht freiwillig ausziehen, dann lass ich Dich aus diesem Haus ins Grab abtransportieren. Und das machst Du ja ohne meine Hilfe, Du Arschloch“. Der Vermieter kündigte daraufhin das Mietverhältnis. Der Amtsrichter in Darmstadt sah keinen Kündigungsgrund: Der arme Mieter sei vermindert schuldfähig. Außerdem wohne der Vermieter nicht im selben Hause wie sein Mieter. Und schließlich dauere das Mietverhältnis schon zehn Jahre. Recht so, finde ich, und falls die Nachbarn Angst haben sollten, können sie ja ausziehen. Am besten nach Katzenhirn im Unterallgäu oder nach Fucking in Oberösterreich.
Ab und zu sind aber selbst Richter not amused über unflätiges Mieterverhalten, wenn auch erst in der Berufungsinstanz: In Köln hatte ein Mieter bei seinem Vermieter Mietrückstände. Als der ihn darauf ansprach, sagte der Mieter zu ihm: „Du kannst mich am Arsch lecken, du verrücktes Arschloch.“ Der verblüffte Vermieter fragte seinen Mieter entrüstet, ob er das ernst meine. Der erwiderte ganz cool: „Selbstverständlich, du Arschloch, ich beliebe nicht zu scherzen.“ Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis. Der Kölner Amtsrichter, wen wundert das an dieser Stelle noch, hielt die Äußerung nicht für kündigungsrelevant. Die Richter am Landgericht Köln sahen das allerdings anders und hielten die Kündigung für berechtigt. Warum? Weil der Mieter das erste Arschloch nochmals mit einem zweiten Arschloch bekräftigt hatte. Das, so die Richter am Landgericht, hätte er besser nicht tun sollen.
Manchmal möchten nicht nur Vermieter kündigen. Ein Mieter eines langfristig vermieteten Gewerbeobjektes in Norddeutschland lieferte sich einen Wortwechsel mit seinem Vermieter. Der Mieter war in Mietrückstand geraten. Der Vermieter verlangte von ihm die ausstehenden Mieten. Im Verlaufe des Gesprächs sagte er zu seinem Mieter: „Mietern, die nicht zahlen, müsste man echt einen Kopfschuss geben.“ Der Mieter erwiderte mit messerscharfem Verstand: „Dann wird ja erst recht keine Miete mehr gezahlt.“ Der Vermieter überlegte kurz und räumte ein: „Stimmt auch wieder, dann schieße ich eben ins Knie.“ Der Mieter bekam aus unerklärlichen Gründen Angst um seine körperliche Unversehrtheit und kündigte den Vertrag nach anwaltlicher Beratung 17 Tage nach dem Gespräch. Das Landgericht Lübeck war die Ansicht, nach 17 Tagen sei die Androhung körperlicher Gewalt verpufft. Der Mieter habe damit keinen Kündigungsgrund. Interessante Argumentation: Wessen Kniescheibe nach 17 Tagen noch nicht zerschossen ist, muss spätestens dann wieder ruhig schlafen können. Da sieht man's mal wieder: Mietrecht ist eben nix für Memmen! Mein Filmtipp übrigens auch nicht.
Für Interessierte:
Amtsgericht Hamburg-Harburg 14.06.1995 - 647 C 96/95
Landgericht Offenburg 01.10.1985 - 1 S 347/84
Amtsgericht Darmstadt 21.01.2014 - 313 C 13/14
Landgericht Köln 21.1.1993 - 1 S 365/92
Landgericht Lübeck 21.2.2012 - 17 O 208/11
Filmtipp:
Solo für Klarinette von Nico Hofmann
Bei manchen Urteilen möchte ich heulen
© am Text: Detlef Wendt (mit Ausnahme der gekennzeichneten Zitate aus den jeweiligen Urteilen)
© am Bild: Detlef Wendt (Selfie, auch nicht viel besser; siehe Wendt der Woche Nummer 10)