43. KW 2018
Falls Sie mein Buch "Auf hoher See und vor Gericht" gelesen haben sollten, erinnern Sie sich bestimmt: Amtsrichter in Bayreuth und in Bückeburg waren der Ansicht, die Haltung ungiftiger Schlangen gehöre zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung. Vermutlich haben die Richter bei ihren Entscheidungen nicht bedacht, was alles passieren kann:
Zu den Gerichtsurteilen passt ein Zeitungsartikel vom 09.07.2017 wie die Faust aufs Auge. Die Badische Zeitung berichtete, dass ein Mieter in seiner Wohnung mehrere Schlangen gehalten habe. Irgendwann sei er ausgezogen. Dabei habe er - ups - eine 70 cm lange asiatische Kletternatter vergessen. Hoffentlich hat er wenigstens an Frau und Kinder gedacht.
Kurz darauf sei eine neue Mieterin eingezogen. Die Schlange, hinterlistig wie die Viecher sind, habe sich nicht bei ihr vorgestellt. Sie habe deshalb nichts von ihrer putzigen Mitbewohnerin bemerkt. Bis sie eines schönen Tages nichtsahnend von ihr gebissen worden sei, als sie im Spülenunterschrank ein Reinigungstuch gesucht habe.
Die Reaktion der Mieterin kann ich mir lebhaft vorstellen. Vermutlich hatte sie eine Heidenangst um ihr Leben. Zumindest solange, bis ihr mitgeteilt wurde, dass die Schlange Gottseidank nicht giftig und ihr Biss daher harmlos sei. Nochmal Glück gehabt, aber, liebe Richter in Bayreuth und Bückeburg: Seid ihr schon einmal von einer Schlange gebissen worden? Glaubt ihr wirklich, dass es zum vertragsgemäßen Gebrauch eines Mieters gehört, in seiner Wohnung Schlangen halten zu dürfen? Und dass es zum allgemeinen Lebensrisiko einer Mieterin gehört, von Schlangen gebissen zu werden? Dass das Interesse eines Mieters an der Schlangenhaltung das Interesse des Vermieters an einer schlangenfreien Wohnung überwiegt? Also ich glaube das alles nicht.
Es will mir auch nicht einleuchten, warum jemand unbedingt Schlangen in seiner Wohnung halten muss. Ich mag Schlangen auch, aber nicht in meiner Wohnung, allenfalls süßsauer beim Chinesen um die Ecke. Ich finde auch Elefanten toll, käme aber nie auf die Idee, einen im Haus oder Garten zu halten. Ich bin der zugegebenermaßen vielleicht etwas altmodischen Auffassung, dass Schlangen, Trichternetzspinnen und Geparden nicht in Wohnungen gehören. Wer sie so sehr mag, dass er ohne sie nicht leben zu können glaubt, kann sie sich gerne in freier Wildbahn anschauen. Fehlt ihm dazu die nötige Knete, mag er bitte den Fernseher einschalten.
Ich teile auch nicht die Ansicht eines Richters in Berlin-Köpenick. Der hielt einen Mieter für berechtigt, in seiner Wohnung ein Hausschwein namens Schnitzel zu halten. Ich habe keinen blassen Schimmer, was den Richter zu so einer Entscheidung bewogen haben mag. Enthält die Köpenicker Luft zu wenig Sauerstoff? Gibt's in Köpenick zu wenig Bauernhöfe? Oder zu viele Kneipen? Oder war der Richter der Meinung, in Wohnungen gebe es schon so viele zweibeinige Schweine, da komme es auf ein vierbeiniges Schwein auch nicht mehr an?
Doch kommen wir zurück zur vergessenen Kletternatter: Vielleicht können Mieter und Richter aus dieser Zeitungsmeldung etwas lernen?
1. Halte ich Tiere, trage ich sie in eine Liste ein, um beim Auszug keines meiner Tiere zu vergessen.
2. Beim Einzug untersuche ich alles ganz genau, um vom Vormieter vergessene Schlangen zu finden.
3. Als Richter darf ich Mietern durchaus auch einmal etwas verbieten, Schlangen zum Beispiel.
4. Schlangen, auch ungiftige, haben ebenso wie Elefanten in Mietwohnungen nichts zu suchen.
Für Interessierte:
AG Bückeburg 12.10.1999 - 73 C 353/99
AG Bayreuth 02.06.2000 - 4 C 62/00
AG Köpenick 13.07.2000 - 17 C 88/00
Musiktipp:
Hawk - Africa, she too can cry (früher hieß die Band Jo'burg Hawk)
Prima Versteck für Schlangen
© am Text: Detlef Wendt
© am Bild: Sabine Czudaj-Wendt