Der 23. Wendt der Woche: Mutter + Vater - Mit Foto + Musiktipp

45. KW 2018

 

Ich hatte wundervolle Eltern. Eine Mutter und einen Vater. Ich empfand das als normal. Sowohl in traditioneller als auch in biologischer Hinsicht. Doch dann und wann werfen moderne Zeiten Traditionen über den Haufen. Allem Anschein nach wird es nicht mehr lange dauern, bis auch die Biologie ausgetrickst wird. Den Gläubigen aller Religionen dürfte das vermutlich nicht unbekannt sein:

 

Vor etwa 50 Jahren lernte ich im Religionsunterricht, dass Jesus Gottes Sohn sei. Und Maria seine Mutter. Mein Lehrer, ein evangelischer Pfarrer, dessen Hand nicht nur Bibelseiten umblätterte, sondern gelegentlich auch locker saß, sprach mit tiefster Überzeugung von einer Jungfrauengeburt. Eher beiläufig erwähnte er, dass Maria übrigens nicht mit dem Vater ihres Sohnes, sondern mit Josef verheiratet war. Bereits damals stand ich diesen Sätzen in ihrer Gesamtschau eher skeptisch gegenüber. Vermutlich bin ich unheilbar rational veranlagt. Veranlagung muss aber nicht immer ein Segen sein, wie man einem Urteil des Bundesgerichtshofs entnehmen darf. Der musste nämlich einen sehr ungewöhnlichen Fall entscheiden. Der Sachverhalt dürfte folgender gewesen sein:

 

Ein Mensch wurde als Mann geboren. Er fühlte sich als Frau. Er spendete Samen, den er einfrieren ließ. Er unterzog sich einer Geschlechtsumwandlung. 2012 wurde seine Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht rechtskräftig behördlich festgestellt. Fortan war er eine (transsexuelle) Frau. Und damit kein ER mehr, sondern eine SIE.

 

Sie lernte eine Frau kennen. Sie verliebten sich so sehr, dass sie 2015 eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingingen. Beide dachten an ein Kind. Der transsexuellen Frau fiel ihr eingefrorener Samen ein. Dessen Qualität war scheinbar noch einwandfrei. Er wurde ihrer Lebenspartnerin eingepflanzt. Anschließend erklärte die transsexuelle Frau in einer notariellen Urkunde, nicht etwa der Vater, sondern die Mutter des noch ungeborenen Kindes zu sein. Aus ihrer Sicht durchaus einleuchtend: Sie empfand sich als Frau. Und sie war im Geburtenregister als Frau eingetragen. Folglich kam sie zum Ergebnis, nicht der Vater des Kindes zu sein, sondern dessen Mutter. Nach der Geburt beantragte sie, im Geburtenregister neben der leiblichen Mutter des Kindes ebenfalls als Mutter eingetragen zu werden.

 

Der Standesbeamte kippte aus den Latschen. So ein Fall war ihm bislang noch nicht untergekommen: Zwei Mütter, aber kein Vater; das schlägt dem Fass den Boden aus! Verwirrt blätterte er in sämtlichen Formularen und Kommentaren, fand aber nichts Vergleichbares. Unbeeindruckt von jeder kirchlichen Lehre schien der Staat der Ansicht zu sein, dass ein Kind ausschließlich durch natürliche Zeugung oder zeugungsähnliche Handlungen entstehe und nur eine irdische Mutter haben könne. Und nur einen irdischen Vater.

 

Der Standesbeamte verweigerte der samenspendenden Frau daher die begehrte Eintragung. Zu seiner Rechtfertigung trug er vor, ebenso wie es nur einen Rudi Völler gebe, könne ein Kind auch nur eine Mutter haben. Da in seinem Formular die Rubrik "Mutter" schon belegt war, bot er der Antragstellerin an, als Vater des Kindes eingetragen zu werden, denn diese Rubrik war nach wie vor frei. Das lehnte die transsexuelle Frau entrüstet ab. Watt nu?

 

Der der Fortschrittlichkeit gelegentlich durchaus zugeneigte BGH zeigte sich naturwissenschaftlich versiert: Die biologisch festgelegte Rolle als Mutter oder Vater sei gesichert und nicht veränderbar. Noch, so legte der BGH sich fest, benötige man für das Entstehen irdischen menschlichen Lebens Gebärmutter und Spermium. Gebärmütter (oder heißt es Gebärmuttern?) seien den Frauen vorbehalten. Demnach müsse der Mann Spermienlieferant und folgerichtig Vater sein. Und da Mütter und Väter sich gegenseitig ausschließen, wie beispielsweise Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum im Wohnungseigentumsrecht oder Vernunft und Religion im wirklichen Leben, ist der Samenspender zwangsläufig Vater. Das ist auch nicht beliebig auswechselbar. So wie man aus Vaterunser auch nicht einfach Mutterunser machen kann. Oder aus Mutterboden Vaterboden. Halleluja.

 

Vieles, was vor 100 Jahren unvorstellbar schien, ist heute Realität. Und wer weiß, vielleicht stellt sich in weiteren 100 Jahren heraus, dass ein Kind doch zwei biologische Mütter haben kann? Oder zwei biologische Väter? Vielleicht wird in noch einmal 100 Jahren sogar der Beweis gelingen, dass die kirchliche Lehre wahr ist, die reine Wahrheit, und nichts als die Wahrheit? Gewiss, die Botschaft hör‘ ich wohl, meint Goethes Faust, allein mir fehlt der Glaube. Mir übrigens auch.

  

Für Interessierte:

BGH 29.11.2017 - XII ZB 459/16

Musiktipp:

Future Games von Fleetwood Mac

 

21 WdW Mutter + Vater

Am besten kann ich das immer noch mit den Bienen und den Blumen erklären

 

© am Text und Bild: Detlef Wendt