42. KW 2018
Das Wort „Abonnement“ stammt aus dem französischen. Es bedeutet „Abonnement“. Gemeint ist regelmäßiger Leistungsbezug. Früher abonnierte man hauptsächlich Printmedien. Heute können Sie nahezu alles abonnieren. Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob Abos nicht nur dick, sondern auch doof machen:
Die Idee ist einfach: Sie erhalten eine bestimmte Leistung in einem bestimmten Turnus. Entweder täglich 1 Zeitung oder 5 Mahlzeiten, jeden Abend 12 Bierchen oder einen Hostessenbesuch. Dafür zahlen Sie Geld. Nennt man heute übrigens auch „Flatrate“ oder „All you can eat“. Wussten Sie aber, dass das Ganze auch umgekehrt funktioniert? Sie zahlen einen bestimmten Geldbetrag in einem bestimmten Turnus. Sagen wir 10 € pro Tag. Und dafür bekommen Sie irgendetwas. Nur was? Eine Leistung? Kann sein, muss aber nicht:
Ein Reiseunternehmen veranstaltet Kreuzfahrten. Mit einem Schiff. Auf dem arbeiten Menschen. Die nennt man Crew. Die Crew möchte bezahlt werden. Der Arbeitgeber hat dafür Verständnis. Doch das eigene Vermögen möchte er dafür nur ungerne angreifen. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Das Reiseunternehmen denkt nach: Am Anfang der Reise wird für jeden Passagier ein Bordkonto eröffnet. Alles, was er kauft, wird dem Konto belastet, etwa so wie ein Deckel in der Stammkneipe. Am Ende der Reise bezahlt er den Deckel. Und jetzt kommt dem Reiseunternehmen ein grandioser Gedanke: Die Passagiere möchten der Crew unheimlich gerne ein Trinkgeld geben. Aber sie trauen sich nicht. Oder vergessen das oft. Und das tut ihnen wahnsinnig leid. Viele Passagiere sind deshalb beim Auschecken deprimiert, schuldbewusst und sehr, sehr traurig.
Um diesen edlen Rittern trauriger Gestalt ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zu zaubern, bucht das Reiseunternehmen vom Bordkonto jedes Reisenden 10 € Trinkgeld pro Nacht ab. Einfach so. Praktisch und schnell. Ein Kegelclub mit 10 Personen alimentiert die Crew auf einer vierzehntägigen Reise also mit lockeren 1.400 €. Gottseidank müssen die Kegelbrüder nichts für dieses zusätzliche Entgegenkommen des Reiseunternehmens bezahlen, nein, der Betrag wird kostenlos abgebucht. Wunderbar. Das Ei des Columbus.
Dabei spielt es übrigens auch keine Rolle, ob die Crew gut war oder nicht. Auch Stinkstiefel, Armleuchter oder Kotzbrocken bekommen ein Trinkgeld. Wo kämen wir auch sonst dahin? Immerhin herrscht bei uns der Grundsatz der Gleichbehandlung (siehe 13. WdW).
Wir sollten Modernem gegenüber, so ungewöhnlich es auch sein mag, aufgeschlossen sein. Ich plädiere dafür, die Idee aufzugreifen: Flötisten und Ukulelisten in den Fußgängerzonen buchen täglich 1 € von unserem Konto ab. Unmusikalische Patenkinder buchen sich zweimal im Jahr ihr Zeugnisgeld ab. Der Rest der Familie macht dasselbe an Geburtstagen. Kein lästiges Überlegen mehr, was Sie dieses Jahr schenken sollen. Sie hätten endlich wieder Zeit, sich um wichtige Dinge zu kümmern. Zum Beispiel Milchmädchenrechnungen aufzustellen:
Nehmen wir mal an, ein Kreuzfahrtschiff mit 1.000 Passagieren hätte eine Crew von 250 Leuten. Wenn bei 30 Übernachtungen in einem Monat das Unternehmen 300.000 € Trinkgeld abbucht, wären das pro Crewmitglied 1.200 €. Mindestens, denn nicht eingerechnet sind die zusätzlichen freiwilligen Trinkgelder derer, die von der Praxis des Reiseveranstalters keinen blassen Schimmer haben. Da bekommt der Begriff Mindestlohn eine völlig neue Bedeutung. Nicht übel, was? Oder müssen Sie sich bei diesem Gedanken etwa übergeben?
Für Interessierte:
LG Koblenz 11.9.2017 – 15 O 36/17
Musiktipp:
Across a wire von Counting Crows
Ey, super Idee, ich könnte mir dann regelmäßig Geld für Nüsse abbuchen
© am Text: Detlef Wendt
© am Bild: Sabine Czudaj-Wendt