52. KW 2018
Liebe Freunde (m/w) der gepflegten und besinnlichen Weihnachtsgrüße, ...
letztens saß ich morgens in einem Hotelrestaurant und frühstückte. Im Hintergrund lief eine Radiosendung. Der Moderator sprach gerade mit einer Zuhörerin. Es ging um ein Preisrätsel, bei dem die Anruferin kluge Antworten auf dumme Fragen geben musste, um eine Kaffeetasse des Lokalradios zu gewinnen. Am Ende des Gesprächs fragte der Moderator die Anruferin: „Gibt es etwas, das Sie sich wünschen, wovon Sie gerne mehr hätten?“ Spontan antwortete sie lachend: „Ja, mehr Urlaub.“
Ähnliche Dialoge höre ich regelmäßig, auch im Fernsehen oder auf der Straße. Oft wird der Wunsch nach mehr Urlaub geäußert, auch der Wunsch nach mehr Geld ist äußerst beliebt. Wohl wissend, dass der Fragende weder das eine noch das andere erfüllen kann.
Mich erstaunt immer wieder aufs Neue, dass nie jemand antwortet, er wünsche sich mehr Verstand, um auch schwierigere Dinge zu verstehen. Mehr Weisheit, um Gutes von Schlechtem zu unterscheiden. Mehr Toleranz, um Anderssein zu akzeptieren. Mehr Disziplin, um Verlockungen zu widerstehen. Oder mehr Demut, um ausgeglichener und zufriedener zu sein. Offensichtlich hält sich jeder für hinreichend klug, tolerant und diszipliniert. Schade, finde ich, welch unglaubliches Potential an Wünschen wird da vergeudet. Ist es nicht zumindest an Weihnachten angebracht, den Sinn unserer Wünsche ein klitzekleines bisschen zu hinterfragen? Wie unbedeutend sind beispielsweise 30 Tage mehr Urlaub im Jahr gegen ein Fünkchen mehr Verstand im ganzen Leben?
Weihnachten, die Zeit der mit Äpfeln gefüllten Gänse oder mit Süßigkeiten gefüllten Bäuche, die Zeit der Besinnung und der Wünsche. Manche werden wahr, andere bleiben auf ewig nur Träume einer unerfüllten Sehnsucht. Bei meinen Weihnachtswünschen will ich mich in diesem Jahr nicht mit Kleinigkeiten begnügen. Wenn der Weihnachtsmann schon scheitern sollte, dann wenigstens an etwas Großem, etwas, das mindestens so utopisch ist wie Gleichheit, so illusionär wie Gerechtigkeit oder so unerreichbar wie Weltfrieden. Ich wünsche mir Freiheit. Für alle Unterdrückten und Ausgebeuteten. Für alle Versklavten und zu Unrecht Eingesperrten. Und für uns, auf dass wir sie weiterhin spüren und leben dürfen. Und nicht nur im Zoo von draußen anschauen, wie es Georg Danzer 1979 in einem feinen Lied gesungen hat:
„Die Freiheit ist ein wundersames Tier,
und manche Menschen haben Angst vor ihr,
doch hinter Gitterstäben geht sie ein,
denn nur in Freiheit kann die Freiheit Freiheit sein.“
In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein fröhliches Weihnachtsfest.
PS: Wem noch die Idee für ein Geschenk fehlt: Das Buch „Ohne Gnade“ von Bryan Stevenson (siehe mein Blog: 15. Wendt der Woche).
Für Interessierte:
Feine Leute von Georg Danzer
© am Text: Detlef Wendt (mit Ausnahme der in Anführungsstriche gesetzten Originalzeilen)
© am Bild: Sabine Czudaj-Wendt