Der 37. Wendt der Woche: Die Struktur steht - Mit Foto + Musiktipp

07. KW 2019

 

Angeblich soll es eine Umfrage unter 16 - 30-jährigen gegeben haben. Die Befragten sollten angeben, worauf sie glaubten, am wenigsten verzichten zu können: Partner, Auto, Handy oder Gehirn. An die erste Stelle soll es …

 

… das Handy geschafft haben, gefolgt von Auto, Partner und Gehirn. Mich wundert das nicht. Diese unappetitlich aussehende unförmige Masse erfreut sich in zunehmendem Maße geringerer Beliebtheit, nicht nur bei Fußballspielern. Bei der Beschäftigung mit dem Handy oder Gesprächen mit dem Partner ist das Gehirn bei vielen im besten Fall lästig, meist sogar hinderlich. Beispiel? Gerne:

 

Meine Frau war auf der Veranstaltung eines Comedians namens Chris Tall. Allein der Name ein Brüller, oder? Für diejenigen, die ihn nicht kennen: Ein kleiner, dicker Junge mit schlechten Manieren, überlauter Stimme und platten Witzen. Meine Frau wurde unfreiwillig Zeugin eines bemerkenswerten Dialogs zwischen 2 kleinen, dicken Besuchern mit schlechten Manieren und überlauten Stimmen. Aufpassen, es geht los:

 

Der Mann: „Boah, ey, is datt voll hier.“

Die Frau: „Der hat ja auch voll die Bekanntheit!“

 

In ähnlichen Sphären bewegen sich die Statements von Sportlern und deren Trainern. Allerdings sind deren Phrasen nicht immer komplett hirnlos, sondern gelegentlich auch nur hohl. Beispiele? Gerne:

 

Am 8.11.2018 war ich mit meiner Frau in einem Berliner Hotel. Im ZDF lief das Morgenmagazin. Der Eishockey-Bundestrainer wurde interviewt. Auf eine Frage der Reporterin, deren Inhalt nichts zur Sache tut, wie übrigens bei allen Fragen an Sportler oder Trainer, antwortete er: „Die Struktur steht.“ Meine Frau fragte mich, was er damit meine. Ich erklärte es ihr: „Er meint das Grundgerüst. Das Drumherum. Das Große und Ganze. Das Gesamtkonzept. Die Struktur eben.“ Der Trainer ergänzte, er wechsele jetzt zu Änetschäl. Meine Frau: „Wohin wechselt der?“ Ich: „Zur Änetschäl.“ Sie: „Was ist das?“ Ich: „Mein Gott, du hast ja nicht die geringste Ahnung vom Eishockey.“ Dann gingen wir zum Frühstück.

 

Am 01.12.2018 ergötzten wir uns im Fernsehen an den Worten eines Fußballspielers nach dem Spiel Hoffenheim gegen Schalke. Der Spieler der unterlegenen Mannschaft sagte: „Mit einer klaren Linie hätten wir das Spiel heute gewonnen.“ Meine Frau: „Koksen die?“ Ich: „Nein, Sportler reden immer so.“ Meine Frau: „Wäre es nicht besser, die würden sich den Arsch aufreißen (Sorry, aber das ist Fußballersprache) als klare Linien zu ziehen?“ Ich: „Was soll das, du hast doch sowieso keine Ahnung vom Fußball.“ Meine Frau: „Ja, aber der doch offensichtlich auch nicht.“ Ich bekam Lust auf intelligentes Fernsehen und schaltete um zu „Frauentausch“.

 

Doch kommen wir zur Sache. Wieder einmal geht es um eine Kreuzfahrt (siehe 20. Wendt der Woche). Warum diese populäre Art, seinen Urlaub zu verbringen, Kreuzfahrt genannt wird, ist mir ein Rätsel. Ebenso wie die Frage, ob der Kläger dieses Gerichtsverfahrens über ein handelsübliches Gehirn verfügte. Oder Fußballprofi war. Oder Fan von Chris Tall. Oder beides. Urteilen Sie bitte selbst:

 

Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau eine vierzehntägige Kreuzfahrt zum Preis von knapp 10.000 €. Ziel: Mauritius und Madagaskar. Im Reisekatalog wurde die Reise u.a. mit „Bordsprache Deutsch“ beworben. Unter den 350 Reisenden waren Menschen aus sieben verschiedenen europäischen Nationen. Die Durchsagen an Bord erfolgten auf Deutsch und einigen anderen Sprachen. Das störte den Kläger beträchtlich. Er hatte angenommen, seine Mitreisenden seien ausschließlich deutsche Staatsangehörige und die Bordsprache sei ausschließlich deutsch. Deswegen und wegen einiger anderer behaupteter Mängel verlangte er knapp die Hälfte des Reisepreises zurück.

 

Mit der für ein Gerichtsurteil gebotenen Zurückhaltung sagte der Bremer Richter, dass die Angabe im Reiseprospekt andere Nationalitäten und Bordsprachen weder zusichere noch ausschließe. Im Übrigen wären Zusicherungen oder Ausschlüsse dieser Art wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sowieso unwirksam. Und wenn der Kläger andere subjektive Erwartungen gehabt habe, könne dies dem Reiseveranstalter nicht angelastet werden. 

 

Meine Meinung? Gerne: Wenn Chris Tall voll die Bekanntheit hat, dann hat der Kläger dieses Verfahrens voll die Borniertheit. Oder vielleicht sogar, wie wir im Ruhrgebiet sagen, voll einen an der Waffel?

 

Für Interessierte:

AG Bremen 13.12.2017 – 19 C 141/17

 

Musiktipp:

Double Vision von Arena

 

Monegassische Möwe

Ich finde, monegassische Möwen sehen

nicht anders aus als deutsche Möwen.

 

© am Text: Detlef Wendt 

© am Bild: Sabine Czudaj-Wendt