Der 33. Wendt der Woche: Jesses! - Mit Foto + Filmtipp

03. KW 2019

 

Nicht immer steht Fröhliches im Internet. Oder Erhellendes. Manches ist schlicht banal. Wie die Meldung, ein Fußballprofi hätte ein Steak verzehrt. Interessant war lediglich, dass es mit Blattgold überzogen gewesen sein soll. Informativ war auch der Preis.: 1.200 €. Manch einer bezeichnete den Fußballer dafür als unsensibel oder dekadent. Das brachte ihn, der sich meines Wissens nach selbst als gläubig bezeichnet, auf die Palme. Er forderte seine Kritiker auf, ...

 

ihre eigenen Mütter, Großmütter und sonstige Anverwandte zu begatten. Er vertrat die Ansicht, seinen Erfolg habe er nur Gott, sich und denen zu verdanken, die an ihn glauben. Alle anderen seien nur Steine in seinen Socken. Demnach vermutlich auch ich. Vereinskollegen sollen Verständnis für den Gefühlsausbruch des Spielers geäußert haben, den sie einerseits als begnadeten Fußballspieler, andererseits aber auch als sehr emotional bezeichnet haben sollen.

 

Ich habe recherchiert: Das Jahresgehalt dieses Fußballspielers beläuft sich auf rund 12 Millionen Euro. Ohne Werbeeinnahmen. Das Steak hat ihn demnach, falls er es selbst bezahlt haben sollte, 0,01 % seines Jahresgehaltes gekostet. Werbeeinahmen nicht eingerechnet.

 

Zum Vergleich: Sollten Sie zu den Besserverdienern mit einem Jahressalär von 60.000 € - ohne Werbeeinnahmen - gehören, entspräche das einer Pizza Margarita für 6 €. Bei einem Jahresgehalt von 20.000 € - ohne Werbeeinnahmen - käme immerhin noch eine Currywurst auf den Teller. Wo also ist das Problem?

 

Als deplatziert empfinde ich lediglich seine Äußerung, ich sei ein Stein in seinen Socken. Komplett Brechreiz auslösend erscheint mir jedoch sein Aufruf, Inzest zu begehen. Aber woher soll der arme Kerl auch um die Problematik dieser Äußerung wissen? Bei begnadeten Fußballern, sagt man, stecke das Hirn in den Füßen. Wo es bei streng Gläubigen steckt? Keine Ahnung, auf Grund häufigen Betens vielleicht in den Händen? Das würde jedenfalls erklären, warum dieser Mensch meinte, sich mit Händen und Füßen gegen seine Kritiker zur Wehr setzen zu müssen. Mein Tipp: Walnüsse. Nicht essen, sondern direkt in den Kopf implantieren lassen. Dann sieht es wenigstens so aus, als habe man ein Gehirn. Man sollte übrigens nicht vergessen, wofür der Mann bezahlt wird: Nicht für Sensibilität, kluge Äußerungen oder Bescheidenheit. Fürs Tore schießen. Und das geht mit Steinen in den Socken ziemlich schlecht. 

 

Dass Glaube und Gehirne nicht immer kompatibel sind, beweist wohl auch ein Fall, mit dem sich das Landesarbeitsgericht Hamm beschäftigen musste. Ein Arbeitnehmer hatte sich gegen eine Kündigung zur Wehr gesetzt. Seine Aufgabe war es, telefonisch Warenbestellungen entgegenzunehmen. Der nicht kirchliche Arbeitgeber hatte den Telefonverlauf weitestgehend standardisiert. Als Abschiedsformel gab der Arbeitgeber vor „Vielen Dank für Ihre Bestellung. Auf Wiederhören.“

 

Dem Arbeitnehmer war das zu schlicht. Er fügte der Abschiedsformel aus eigenem Antrieb ein „Jesus hat dich lieb“ hinzu. Das war dem Arbeitgeber nicht recht. Er untersagte dem Mitarbeiter die Verwendung dieses Zusatzes unter Hinweis auf den Arbeitsvertrag. Der wies auf seine Verpflichtung auch gegenüber Gott hin und sah sich außerstande, auf den Zusatz zu verzichten. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis.

 

Das Arbeitsgericht Bochum hielt die Kündigung zu meinem Erstaunen für unberechtigt: Die Glaubensfreiheit sei grundgesetzlich geschützt. Die christliche Abschiedsformel müsse der Arbeitgeber akzeptieren. Der Mitarbeiter schulde keinen blinden Gehorsam. Auf die Berufung des Arbeitgebers hin änderte das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil und bestätigte die Kündigung des Arbeitgebers als wirksam.

 

Recht so, finde ich. Der Arbeitnehmer ist nicht gehindert, seinen Glauben im privaten Umfeld auszuleben. In Berufen außerhalb der Kirchen jedoch bitte nicht. Im Gegenzug dazu können Nichtgläubige ein betriebliches Telefonat ebenso wenig mit den Worten „Ach übrigens, Gott existiert nicht“ beenden. Und der Bochumer Arbeitsrichter käme ja hoffentlich auch nicht auf den Gedanken, die Urteilsüberschrift "Im Namen des Volkes" zu ergänzen mit "und im Namen von Jesus". 

 

Für Interessierte:

LAG Hamm 20.04.2011 – 4 Sa 2230/10

Filmtipp: 

Das Schweigen der Lämmer von Jonathan Demme

 

Mögliche  Implantate

Mögliche Implantate?

 

© an Bild und Text: Detlef Wendt