Der 45. Wendt der Woche: Nigadiker - Mit Foto + Musiktipp

15. KW 2019

 

Es gibt so unendlich viele Dinge, die ich nicht verstehe. Ich weiß zwar, was ein Bäcker macht, habe aber keine Ahnung, womit sich ein Client Success Specialist beschäftigt. Unter einem Tischler kann ich mir etwas vorstellen, versage aber kläglich bei einem Strategic Purchaser. Auch nach dem dritten intensiven Lesen einschlägiger Artikel erschließt sich mir nicht, was schwarze Löcher auszeichnet, und bei Herrn Trump bin ich mir noch immer nicht schlüssig, ...

 

ob er lediglich Histrioniker, bereits Narzisst oder schlicht und einfach nur Nigadiker ist.

 

Apropos Berufsbezeichnung: Ich las, jemand sei Strategischer Produktmanager, also ein Mensch, der beim Management seiner Produkte geplant vorgeht. Ich fragte mich, ob zielgerichtetes Handeln nicht allen Berufen immanent ist. Oder gibt es auch Stellenausschreibungen für planlose Produktmanager?

 

Jedenfalls gibt es heute Key Account Manager, Portfoliomanager, Expansionsmanager, Property Manager Analysts und Directors of Sales. Vielleicht gibt es in Clausthal-Zellerfeld bald keine Bäcker und Metzger mehr, sondern nur noch Baker und Butcher. Ich glaube, es ist an der Zeit, ernsthaft darüber nachzudenken, ob es langsam Sinn macht, auf meine Visitenkarte zu schreiben: Detlef Wendt, Specialist Lawyer for Rental and Home Ownership Law, Lecturer, Author of Books and Board Game Inventor.

 

Gelegentlich sind mir auch unsere Gesetze und gerichtlichen Entscheidungen schleierhaft, wie ein vom Bundesgerichtshof am 09.01.2019 entschiedener Fall zeigt, den ich mir in etwa so vorstelle:

 

Herbert und Inge Knüller sind verheiratet. Sie sind Miteigentümer eines Zweifamilienhauses. In der einen Wohnung wohnen sie, die andere haben sie vermietet. Irgendwann überträgt Inge ihre Miteigentumshälfte auf Herbert. Der ist jetzt Alleineigentümer. Fünf Jahre später geht Herbert zum Anwalt, denn er möchte das Mietverhältnis mit den Mietern kündigen, um seinen Bruder dort einziehen zu lassen, und will sich deswegen anwaltlich beraten lassen. Der Anwalt ist pfiffig und denkt sofort an § 573 a BGB. Nach dieser Vorschrift kann ein Vermieter ein Mietverhältnis grundlos – also nach der so genannten und von mir vermutlich erfundenen Hackfressentheorie – kündigen, ohne einen konkreten Kündigungsgrund zu haben, also auch ohne Eigenbedarf. Der Anwalt lässt sich von Herbert eine Vollmacht ausstellen und kündigt im Namen von Herbert Knüller das Mietverhältnis.

 

Die Mieter meinen, die Kündigung sei unwirksam. Der Bundesgerichtshof sieht das auch so. Denn auch Inge hätte kündigen müssen. Die Übertragung des Miteigentumsanteils vor 5 Jahren hat daran nichts geändert. In solchen Fällen kann man nur hoffen, dass Inge noch lebt, alle Sinne beisammenhat, mit Herbert noch spricht und auffindbar ist. Ansonsten können Mietverhältnisse mit viel Pech auch schon mal locker ein paar Jahrhunderte dauern.

 

Rätseln Sie übrigens immer noch darüber, was ein Nigadiker ist? Ganz einfach, das ist jemand, der nicht ganz dicht ist.

 

Für Interessierte:

BGH 09.01.2019 - VIII ZB 26/17

 

Musiktipp:

Ashes are burning von Renaissance

 

Müll im Wald

Muss auch ein Nigadiker gewesen sein

 

© am Text: Detlef Wendt 

© am Bild: Sabine Czudaj-Wendt