Der 52. Wendt der Woche: Von Logos und Reliefen

22. KW 2019

 

Recklinghausen ist die Stadt der Ruhrfestspiele. Jedes Jahr gibt es ab Mai Kabarett, Musik und Theater. Ab und zu muss auch ein neuer Intendant her, sei es, weil der alte nicht mehr kann, darf oder will. So auch zur neuen Saison 2019. Die Presse berichtete, der Neue habe es bereits schwer, weil er mit 1 Million € weniger auskommen müsse als sein überaus erfolgreicher Vorgänger. Nichtsdestotrotz beschenkte er sich zu seiner Amtseinführung mit einem neuen Logo.

 

Auf Fragen der Presse, warum ein neues Logo hermusste, antwortete er, dass bisher jeder Intendant ein neues Logo eingeführt hätte. Mir gefällt diese kurze und aussagekräftige Antwort. Sie zeugt von Bewusstsein für Tradition und Verantwortung. Zum Glück hat er beim neuen Logo arg gespart. Es ist so schlicht und einfach, dass es von einem Zweitklässler stammen dürfte, dessen Honorarforderung wahrscheinlich in einem belegten Pausenbrot bestand.

 

An einer (evangelischen?) Wittenberger Kirche hängt seit mehr als siebenhundert Jahren dagegen immer dasselbe Relief. Darauf erkennt man eine Sau, an deren Zitzen kleine Menschen hängen, und deren Schwanz von einem großen Menschen angehoben wird. Der große Mensch soll einen Rabbiner darstellen, der unter dem hochgehobenen Schwanz in das Arschloch der Sau hineinzuschauen scheint. Nach dem jüdischen Glauben sind sowohl Schweine als auch Säue unreine Tiere. Gemeinhin bezeichnet man dieses Relief als „Judensau“-Relief.

 

Ein Mitglied der jüdischen Gemeinde in Berlin erhob Klage gegen die Kirchengemeinde mit dem Ziel, die Beseitigung dieses Reliefs zu erreichen. Er meinte wohl, dass es an der Zeit sei, Farbe zu bekennen und der Welt zu zeigen, dass es vorbei sein müsse mit der „Judensau“, auch an kirchlichen Gebäuden mit historischem Hintergrund.

 

Das Gericht vermochte sich dem im Ergebnis nicht anzuschließen. Leider liegt mir das Urteil mit seiner Begründung noch nicht vor, so dass ich mich derzeit nur auf die Pressemitteilung des Landgerichtes verlassen kann. Der Richter soll gemeint haben, dass die beklagte Kirchengemeinde das Relief weder hergestellt noch angebracht habe. Es befinde sich darüber hinaus an einem unter Denkmalschutz stehenden historischen Kirchengebäude. Da könne man dann leider nichts machen, soll wohl sinngemäß gesagt worden sein.

 

Ich frage mich allerdings, ob der Denkmalschutz auch solche Reliefe schützen will, ob das Urteil bei einem in Privatbesitz gestandenen Gebäude genauso ausgefallen wäre und ob wir derartige Darstellungen immer mit Geschichte entschuldigen können. Wir sollten zwar Geschichte nie aus den Augen verlieren, sollten uns aber auch davor hüten, uns in ihr zu verlieren. Erfreulicherweise hat das Landgericht die Berufung zugelassen. Ich bin sehr gespannt, was das Oberlandesgericht Naumburg dazu zu sagen hat.

 

Für Interessierte:

LG Dessau-Roßlau 24.05.2019 – Aktenzeichen nicht bekannt, Pressemitteilung Nr. 011/2019

 

© am Text: Detlef Wendt