Der 53. Wendt der Woche: AGG-Hopper

23. KW 2019

 

Ich las, zwei Männer aus Augsburg, der Stadt der Puppenkiste, hätten sich zu einer Schneeschuhwanderung verabredet. Nachdem sie am Gipfel angekommen waren, wollten sie wieder herunter. Beim Abstieg gerieten sie in einen Schneesturm. Sie verirrten sich und fürchteten, zu erfrieren. Blauäugig, wie sie waren, hatten sie auf angemessene Ausrüstung verzichtet. Nach Einbruch der Dunkelheit setzten sie gegen 18.30 Uhr einen Notruf ab und baten um Rettung.

 

Notrufzentralen sind gelegentlich etwas vorschnell. Diese hier scheinbar auch. Sie fragte nicht nach, ob es mit der Rettung denn auch wirklich eilig sei, immerhin sei man gerade bei der Vesper. Ebenso wenig fragte sie die Gestrandeten, ob man denn ernsthaft gleich mehrere erfahrene Rettungstrupps losschicken solle, oder ob es nicht auch ein einziger ungelernter Anfänger täte. Hätte man nämlich nachgefragt, hätten die beiden Wanderer, deren Ausrüstung, wie gesagt, mehr als mangelhaft war, wahrscheinlich geantwortet, eine ungelernte Kraft sei völlig ausreichend, und die könne selbstverständlich auch noch in Ruhe aufessen, denn mit vollem Magen rette es sich bestimmt besser.

 

Die Bergwacht machte sich eiligst mit 3 Trupps auf die Socken, fand die Ver(w)irrten und rettete sie. Anschließend schickte sie den Geretteten eine Rechnung über 2000 € Bergungskosten zu. Jetzt begab es sich, dass einer der Geretteten ein Anwalt war. Anwälte haben manchmal tolle Ideen. Dieser hier auch: Er war der Ansicht, 3 Trupps seien vollkommen unnötig gewesen, ein Retter hätte völlig ausgereicht. Der Anwalt stellte die Angemessenheit der Rettungsaktion in Frage und hielt die Rechnung dementsprechend für überhöht.

 

Merke: Auch helfen will gelernt sein!

 

In München suchte eine Marketingfirma eine „weibliche Telefonstimme“. Ein gelernter Bankkaufmann bewarb sich darauf. Die Firma lehnte ihn ab. Daraufhin verklagte der Bewerber die Firma auf rund 2000 € Schadensersatz mit der Begründung, die Ablehnung sei diskriminierend und stelle einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (=AGG) dar.

 

Das Gericht wies die Klage ab. Begründung: Der Kläger sei ein in München gerichtsbekannter AGG-Hopper. Es sei bekannt, dass er mehrere Klagen laufen habe, in denen er in ähnlicher Weise Schadenersatzforderungen geltend gemacht habe. Er selbst hätte behauptet, davon zumindest teilweise seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Daher könne man bei dem Kläger nicht davon ausgehen, dass er sich wirklich ernsthaft auf die Stelle habe bewerben wollen. Auch wenn die Marketingfirma daher gegen das AGG verstoßen habe, müsse sie jedenfalls dem Kläger keinen Schadensersatz leisten.

 

Merke: Auch klagen will gelernt sein!

 

Für Interessierte:

AG München 24.11.2016 – 173 C 8860/16

 

© am Text: Detlef Wendt