24. KW 2019
Sie kennen das vielleicht: Immer wieder kurz vor dem Weihnachtsgeschäft kommen Bücher auf den Markt, in denen komische Gesetze aus aller Welt den Gabentisch bereichern sollen. Dass man zum Beispiel in irgendeinem fernen Land seine Frau nicht an Sonntagen schlagen darf. Sonst immer gern, nur eben nicht an Sonntagen. Sollten Sie allerdings glauben, …
.. dass hiesige Gesetze stets der Menschenwürde oder wenigstens dem gesunden Menschenverstand entsprechen, sind Sie leider auf dem Holzweg. So sollten es kirchliche Prozessionen und Leichenzüge nach § 27 StVO tunlichst unterlassen, auf Brücken im Gleichschritt zu marschieren, ansonsten droht ein Ordnungsgeld. Oder Schlimmeres, falls die Brücke zum Einsturz kommt.
Nachdenklich kann einen auch das Landesseilbahngesetz in Mecklenburg-Vorpommern stimmen, das auf Druck der Europäischen Union erlassen werden musste. Jedes Bundesland, so die EU, muss ein Seilbahngesetz haben. Selbst wenn es, wie in Mecklenburg-Vorpommern, keine Seilbahnen dort gibt. Das ist so, als wenn Bayern München jeden Fußballspieler vor einer Verpflichtung zwangsweise einem Intelligenztest unterziehen würde.
Aber auch in Thüringen ist nicht alles Gold, was glänzt. Dort gibt es eine Kommunalordnung. Diese regelt, dass Gemeinderatsmitglieder vom Bürgermeister durch Handschlag zu verpflichten sind. Verweigert ein Gemeinderatsmitglied den Handschlag, verliert es automatisch sein Amt. Keine Regelung enthält die Kommunalordnung dagegen für den Fall, sollte der Bürgermeister den Handschlag verweigern. So nämlich geschehen 2014 in einer thüringischen Stadt.
Der interessierte Bürger fragte sich natürlich zunächst, was den Bürgermeister da wohl geritten haben mag. Hat er sich geekelt? Hatte er etwa zuvor gesehen, wie das Gemeinderatsmitglied auf der Rathaustoilette vor der Handschlagszeremonie seine Hämorrhoiden eincremte, ohne sich anschließend die Hände zu waschen? Oder hatte er Angst, sich zu infizieren? War die zu schüttelnde Hand von Bazillen verseucht? Wenn’s nur das gewesen wäre, wird sich der Bürgermeister gedacht haben: Ein gewählter NPD-Stadtrat streckte ihm die Hand hin. Und diese Hand wollte er partout nicht in die seine nehmen. Daraufhin verklagte ihn der Stadtrat, unter Berufung auf die Kommunalordnung.
Das Verwaltungsgericht Meiningen konnte die Aufregung des Stadtrates offenbar nicht nachvollziehen und wies die Klage ab. Es sah den Handschlag als lediglich symbolische Geste an, nicht etwa als formalen Akt der Bestellung zum Ratsmitglied.
Damit gab sich der Stadtrat nicht zufrieden. Er bestand darauf, mit dem Handschlag des Bürgermeisters geadelt zu werden. Und genau diese Auszeichnung gewährte ihm jetzt das Thüringische Oberverwaltungsgericht. Die Vorschrift sei eindeutig, meinte das Oberverwaltungsgericht. Es handele sich quasi um ein Handschlagspflichtgesetz, Hämorrhoiden hin oder Bazillen her. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Watt nu, werden sich einige thüringische und auch andere Bürgermeister mit derart abstrusen Gesetzen fragen? Nun, vielleicht geht man künftig dort, wo ein lauter Protest nicht erlaubt zu sein scheint, den Weg des stillen Protestes und ziehen sich vor dem Handschlag Einweghandschuhe an? Dagegen dürfte jedenfalls die Kommunalordnung nichts einzuwenden haben.
Die Queen, so verriet mir meine Frau, beherrscht den Weg des stillen Protestes übrigens meisterhaft. Sie soll beim Treffen mit Donald Trump gut sichtbar eine Brosche mit dem Antlitz von Barack Obama getragen haben. Selbst von Königinnen kann man also gelegentlich noch eine Menge lernen.
PS: Man beachte übrigens einmal die Verfahrensdauer: Stolze 4 Jahre und 6 Monate. Nicht schlecht, die Thüringer.
Für Interessierte:
VG Meiningen 25.11.2014 – 2 K 268/14
Thüringisches Oberverwaltungsgericht 03.05.2019 – 3 KO 620/18
© am Text: Detlef Wendt