Der 58. Wendt der Woche: Krötenwanderung

28. KW 2019

 

Letztens schaute ich mir auf einer längeren Zugfahrt einen Weltuntergangsfilm mit dem Titel „Elysium“ an. Wie immer vegetierten die Blöden, Kranken und Armen vor sich hin, während die Reichen und Wichtigen genug damit zu tun hatten, sich vor den Blöden, Kranken und Armen zu schützen. Das hätte auch prima funktioniert, wenn nicht zufällig Matt Damon in der Nähe gewesen wäre.

 

In solchen Situationen beschleicht mich immer häufiger das Gefühl, dass es den meisten von uns eh wurscht ist, ob diese Erde die nächsten hundert Jahre überlebt. Wesentlich wichtiger ist es, ob wir abends rechtzeitig zu Hause sind, um den Anfang einer Sendung mit Frauen suchenden Bauern nicht zu verpassen.

 

Ein schlechtes Gewissen müssen wir dabei allerdings nicht haben. Unser Gehirn ist nicht darauf ausgelegt, lange im Voraus zu planen, womöglich noch für die nächste Generation. Selbst wichtige Männer haben heute keinen blassen Schimmer, welches Hemd sie morgen anziehen werden, außer sie haben nur eines oder lediglich weiße im Schrank hängen. Und wenn sie schon das nicht wissen, wie sollen sie sich dann um Klimawandel, Wasserknappheit und Artensterben kümmern? Dann schon eher um Krötenwanderung. Oder präziser gesagt um die Frage, wie schaffe ich es, dass deine Kröten in meine Tasche wandern?

 

Um Krötenwanderung ging es wohl auch einem Lebensmittelunternehmen, das einen Kräutertee im Programm hatte. Um den Verkauf anzukurbeln, machte man sich Gedanken, welchen verkaufsfördernden Namen man ihm geben könne. Ob auch Teebartz im Rennen war, ist mir nicht bekannt. Selbst wenn, hat man diesen Vorschlag vermutlich schnell verworfen, da er ungewollte Assoziationen mit einem ungewöhnlich kreativen Bischof hervorgerufen hätte. Rentee wäre wohl auch noch in Betracht gekommen, hätte den Fokus aber zu sehr auf alte Säcke wie mich gelenkt, zumal deren bevorzugte Getränke sich eher in Spirituosenflaschen befinden dürften.

 

Nein, etwas Frisches musste her, ein Name, der junge Leute anspricht und Lust auf das Gebräu macht. Naja, und bei jung und Lust fiel dem verantwortlichen Creative-Director der Name „Kinderwunsch-Tee“ ein. Grandios, geiler Gedanke, gut gemacht, applaudierte der Lebensmittelkonzern und stellte den Tee ins Verkaufsregal.

 

Ein Wettbewerbsverband kaufte 20 Kilo von dem Zeug und schenkte seinen Mitarbeiterinnen ein halbes Jahr lang jeden Morgen 12 Tassen davon ein. Jedoch ohne Erfolg, nicht ein einziger Schwangerschaftstest verlief positiv. Der Verband klagte auf Unterlassung des irreführenden Namens, solange die angepriesene Wirkung nicht belegt werden konnte.

 

Das OLG Köln musste sich des Falles annehmen. Nicht überliefert ist, ob auch kinderlose Richterinnen am OLG sich das eine oder andere Tässchen „Kinderwunsch-Tee“ gönnten. Felsenfest ins Urteil gemeißelt ist dagegen, dass dieser Name solange nicht verwendet werden darf, bis ein wissenschaftlicher Nachweis vorliegt, dass der Tee tatsächlich hält, was er verspricht. Falls der Konzern noch immer fieberhaft auf der Suche nach einem passenden Namen sein sollte, hätte ich einen Vorschlag. Wie wäre es mit „Kopfschuss-Tee“?

 

Für Interessierte:

OLG Köln 21.06.2019 – 6 U 181/18

 

© am Text: Detlef Wendt