Der 62. Wendt der Woche: Tut gar nicht weh!

19. KW 2021 

 

Was, liebe Leser jederlei Geschlechts, wären wir ohne die Tiere? Armselige Veganer, die Grasbüschel auf den Grill legen müssten.  Uns liefern Bienen Honig, Kühe Milch und Mücken Stiche. Außerdem versorgen uns 45 Millionen Hühner mit Eiern, nicht ganz so viele Schafe mit Wolle und eine halbe Milliarde Tauben mit Scheiße.

 

Glücklicherweise wissen wir diese Hilfe zu würdigen und geben sie in mannigfacher Weise an die Tiere zurück. Unseren Bienen bieten wir mit Schottergärten kleine Rückzugsorte, an denen sie sich vom anstrengenden Nektarschlürfen ausruhen können. Für die Tauben kaufen wir uns immer mehr und immer größere Autos, damit garantiert jeder Taubenschiss ein Treffer wird. Und hin und wieder gönnen wir ihnen auch eine ganz besondere Leckerei:

 

Irgendwo in Hessen lebt ein Mann. Selbstverständlich auch eine Frau. Beide sind Nachbarn. Der Mann hat ein Luftgewehr. Die Frau hat eine Katze. Die geht dem Mann auf den Senkel. Die Katze, meine ich. Ob auch die Frau, ist nicht überliefert.

 

Irgendwann, als die Katze ihm besonders auf die Nerven fällt, schießt er mit seinem Luftgewehr auf sie. Das Geschoss dringt in ihren Körper ein. Ups, denkt die Katze, was soll das? Vermutlich versucht sie noch, ihre Chefin davon in Kenntnis zu setzen, doch die spricht kein kätzisch. Also bleibt das Geschoss erstmal drin. Die Katze lebt weiter.

 

Irgendwann bei irgendeiner Röntgenuntersuchung wird das Geschoss gefunden. Und der Vorgang aufgeklärt. Das Ganze geht zu Gericht. Schüsse auf und Geschosse in Katzen, denkt sich ein Amtsrichter, seien Tierquälerei. Er verurteilt den Mann zu einer Geldstrafe von 16.100 €.

 

Ups, denkt sich da der Mann mit dem Luftgewehr, vermutlich dürften weder die Katze noch der Amtsrichter den Schuss gehört haben und legt Berufung ein. Und siehe da, die Landrichter als Berufungsrichter reduzieren die Geldstrafe auf 1.950 €. Zur Tierquälerei sagen sie auch ein paar Worte. Eine solche liege nämlich gar nicht vor. Tierquälerei setze nämlich erhebliche Schmerzen beim Tier voraus. Und so ein Luftgewehrgeschoss tue nicht weh. Zumindest nicht so doll. Kleines bisschen nur. Sagt jedenfalls ein vom Gericht befragter Tierarzt. Und der muss ja schon von Berufs wegen kätzisch können. Miau.

 

Für Interessierte:

LG Frankfurt/Main 09.12.2020 – 8910 Js 205306/18

 

© am Text: Detlef Wendt